Business and Human Rights Young Researchers Summit 2021

Die vielen Leben der Unternehmens- und Menschenrechtsforschung

Si Chen (McGill Universität)

Der Business and Human Rights Young Researchers Summit bietet eine internationale und interdisziplinäre Plattform zur Förderung und Unterstützung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte (BHR). Der Gipfel wird vom Geneva Center for Business and Human Rights an der Genfer Hochschule für Wirtschaft und Management der Universität Genf, dem Institut für Wirtschaftsethik der Universität St.Gallen, dem Stern Center for Business and Human Rights der New York University und dem Business and Human Rights Journal veranstaltet. Der Young Researchers Summit (YRS) bietet jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein ansprechendes und unterstützendes Umfeld, in dem sie sich mit Gleichgesinnten austauschen und von Expertinnen und Experten beraten lassen können. Seit seiner ersten Durchführung im Jahr 2016 umfasst das Netzwerk rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus sechs Kontinenten, die in verschiedenen Positionen und Organisationen mit Bezug zum BHR-Bereich arbeiten. 

Die 6. Ausgabe des YRS fand am 16. und 17. September 2021 in Genf, Schweiz, statt. Diese Ausgabe wurde in einem hybriden Modell durchgeführt, das eine persönliche Konferenz für die Teilnehmenden in Genf und eine virtuelle Konferenz für den Rest der Teilnehmenden vorsah. Zu diesem Gipfeltreffen wurden Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der BHR eingeladen, um die gegenseitige Unterstützung unter jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu fördern. Das Gipfeltreffen beinhaltete auch eine interaktive Schulungssitzung, bei der jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Werkzeuge und Fähigkeiten für die Entwicklung von BHR-Wissenschaft mit Wirkung vermittelt wurden.

Als Teil seiner wertvollen Tradition brachte die 6. Ausgabe des YRS insgesamt 12 Doktorandinnen und Doktoranden und frühe Postdocs aus verschiedenen Disziplinen und mit unterschiedlichem Hintergrund zusammen. Das Gipfeltreffen wurde im Format "Präsentation-Kommentar-Diskussion" durchgeführt. Auf die Präsentation eines jeden Teilnehmenden folgte ein Kommentar eines anderen, bestimmten Teilnehmenden und anschliessend eine lebhafte Diskussion unter allen Teilnehmenden. Dieses dynamische Format bot den Partizipierenden die Möglichkeit, sowohl von Gleichgesinnten als auch von Expertinnen und Experten aus dem BHR-Bereich Feedback zu ihrer Arbeit zu erhalten. Ausserdem bot es den Teilnehmenden eine Plattform für den Meinungsaustausch und ein Netzwerk zur Unterstützung nach der Veranstaltung. Durch dieses dynamische Format trugen alle Teilnehmenden zu einer umfassenden Erforschung des BHR-Bereichs bei, indem sie sich mit Beispielen aus verschiedenen Ländern, Branchen und Unternehmen auseinandersetzten.

Es können einige vorläufige Schlussfolgerungen gezogen werden, die die Zukunft der BHR-Forschung prägen und vorantreiben werden:

Die wichtige Rolle von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren

Auf dem Gipfeltreffen wurde die wichtige Rolle verschiedener Akteure, sowohl staatlicher als auch nichtstaatlicher, erörtert. Die Verantwortung von Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte wird auf internationaler, regionaler und nationaler Ebene immer mehr zu einer festen rechtlichen Verpflichtung. In den Diskussionen wurde auf die jüngsten legislativen und politischen Initiativen verwiesen, die auf verschiedenen Ebenen entwickelt wurden, um Unternehmen für ihre Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen. Zu den häufig genannten Beispielen gehören die Schweizer "Initiative für verantwortungsvolle Unternehmensführung" und das deutsche "Gesetz zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen in Lieferketten". Initiativen, die von nichtstaatlichen Akteuren wie transnationalen Unternehmen entwickelt wurden, sorgten auf dem Gipfel ebenfalls für heftige Diskussionen. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Legitimität, Wirksamkeit und Hinlänglichkeit solcher Initiativen geäussert.

Die Notwendigkeit, die Rechenschaftspflicht und den Zugang zu Rechtsmitteln für Opfer von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Unternehmen zu verbessern

Gemäss Säule III "Zugang zu Rechtsmitteln" der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) sind wirksame gerichtliche Mechanismen "das Kernstück der Gewährleistung des Zugangs zu Rechtsmitteln". Diejenigen, die versuchen, gerichtliche Mechanismen zu nutzen, um Abhilfe zu schaffen, sehen sich jedoch mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Diese Herausforderungen werden zudem in grenzüberschreitenden Fällen von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Unternehmen noch verschärft. Vor diesem schwierigen Hintergrund wurden in den Diskussionen auf dem Gipfel Wege aufgezeigt, wie die Lücken in grenzüberschreitenden Kontexten geschlossen werden können. Die Rolle der Nationalen Kontaktstellen für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln im Rahmen der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen war Gegenstand zahlreicher Diskussionen über ihr Potenzial für Rechenschaftspflicht und Abhilfe. Es wurde vorgeschlagen, dass ein Unternehmen eine Menschenrechtsverträglichkeitsprüfung durchführen sollte, bevor es beschliesst, im Rahmen des Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus Klage gegen einen Staat zu erheben.

Wie der verstorbene Professor John Ruggie bei vielen Gelegenheiten bekräftigte, war die Schaffung der UNGPs nur "das Ende vom Anfang". Er bekräftigte, dass "die UNGPs [United Nations Guiding Principles] konzipiert wurden, um eine fortlaufende interaktive Dynamik aus einer intelligenten Mischung von Massnahmen - freiwilligen und obligatorischen, nationalen und internationalen - zu erzeugen, die das System für Wirtschaft und Menschenrechte im Laufe der Zeit stärken würde".

Die UNGPs haben über verschiedene Kanäle zunehmend an Einfluss gewonnen, unter anderem durch freiwillige und verbindliche Instrumente, die auf verschiedenen Ebenen entwickelt werden, durch akademische Forschungsbeiträge und durch die tägliche Praxis der Unternehmen. Alle 12 Papiere und Präsentationen bezogen sich auf die UNGPs als wichtiges Leitdokument für ihre Forschung. Diese Beiträge waren innovativ, da sie die räumlichen und zeitlichen Zusammenhänge zwischen der Steuerung der Wirtschaft und der Wahrung der Menschenrechte hervorhoben. So wiesen die Teilnehmenden beispielsweise auf die Notwendigkeit hin, die Verbindungen zwischen dem Berufsstand der Buchhalter und der modernen Sklaverei sowie zwischen dem Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus und den UNGPs zu stärken.

Die vielen Leben der Wirtschaft und die Menschenrechtsforschung

Auf dem Gipfel wurden sowohl pessimistische als auch optimistische Perspektiven für die Zukunft der BHR-Forschung aufgezeigt. Das Gipfeltreffen zeigte viele Beispiele für Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Unternehmen einerseits und die jüngsten Entwicklungen von Gesetzen und Strategien zur Bekämpfung solcher Verletzungen andererseits auf. Ausserdem wurde das Fehlen gerichtlicher Beschwerdemechanismen auf der einen Seite und die jüngste Entwicklung solcher Mechanismen auf der anderen Seite hervorgehoben.

Nach jahrzehntelangen Bemühungen sind die Menschenrechte im Kontext der wirtschaftlichen Globalisierung immer noch gefährdet. Neue Initiativen, die von verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren entwickelt wurden, können neue Hoffnung geben und Unternehmen dazu bringen, ihre negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte zu erkennen, zu verhindern, abzumildern und darüber Rechenschaft abzulegen. Zu diesen Initiativen können staatliche Gesetzesinitiativen, von Unternehmen oder der Industrie geleitete freiwillige Initiativen und Multi-Stakeholder-Initiativen gehören, die sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure auf dieselbe Diskussionsplattform bringen könnten. Es gibt keine "Einheitslösung" für die vielfältigen negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte, die in den verschiedenen nationalen und industriellen Kontexten der globalisierten Wirtschaft auftreten. Es war anregend, von den akteurs-, länder- und branchenspezifischen Forschungsprojekten zu erfahren, die Hinweise für die Entwicklung einer intelligenten Mischung aus freiwilligen und obligatorischen Massnahmen zur Bewältigung von Menschenrechtsproblemen in einer globalisierten Wirtschaft geben.

 

Nachwuchswissenschaftlerinnern und -wissenschaftler können eine wichtige Rolle bei der Gestaltung und Förderung der künftigen BHR-Forschung spielen. Die YRS hat eine jährliche, internationale und interdisziplinäre Plattform geschaffen, die wahrscheinlich als "Ende des Anfangs" dienen und viele weitere aufschlussreiche Dialoge und innovative Beiträge auf dem Gebiet der BHR inspirieren könnte.

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