Hiruni Alwishewa (Geneva Graduate Institute) & Debadatta Bose (Universität Amsterdam)
Im verregneten Spätsommer, als Tausende von Fussballfans in die charmante Schweizer Stadt St.Gallen strömten, um das Spiel zwischen Arsenal und Zürich zu sehen, trafen sich dreizehn junge Forschende, um auf dem Business and Human Rights Young Researchers Summit aufkommende und neue Themen zu BHR zu präsentieren und zu diskutieren. Der Gipfel wirkt wie ein winziger Punkt, der am schönen dunklen Himmel leuchtet, als Teil einer grossen Konstellation von Ideen im Laufe der Zeit. In seiner siebten Auflage bot das Gipfeltreffen vom 8. bis 9. September 2022 erneut ein kollegiales Forum für eine Kohorte junger Forscherinnen und Forscher aus weit entfernten Orten (unter anderem sogar aus Australien) und verschiedenen akademischen Bereichen (von Jura über Philosophie bis hin zu Wirtschaftsethik), die ebenso unterschiedliche Perspektiven und Ideen zu den neuen und erwarteten Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte mitbrachten.
Wie in den vergangenen Jahren wurde auf dem Gipfel deutlich, wie essenziell es ist, sich abzeichnende Trends in der BHR-Forschung zu erkennen und die BHR-Forschungsagenda zu gestalten. Aus der Arbeit der 2022er-Kohorte kristallisierten sich insbesondere drei Themen heraus:
1. Kritische Ansätze - Während die zentralen Stärken der Wirtschafts- und Menschenrechtsforschung in allen Präsentationen deutlich wurden, gab es eine grosse methodische Vielfalt (empirisch und theoretisch/analytisch) ebenso wie eine disziplinäre Vielfalt aus Management, Recht und anderen Bereichen. Ein durchgängiges Thema des Gipfels war die Konzentration auf kritische Ansätze oder Projekte mit kritischen Komponenten. Dass das Problem, mit dem sich Wirtschaft und Menschenrechte befassen, nicht nur ein betriebswirtschaftliches oder juristisches ist, sondern auch ein koloniales, das untrennbar mit anderen Bedingungen verbunden ist, wurde in den Vorträgen und Diskussionen besonders hervorgehoben. Es gab spezifischere Beiträge, die sich mit kolonialen Reparationen, einer Studie von Third World Approaches to International Law (TWAIL) über das Recht auf menschenrechtliche Sorgfaltspflicht und Ähnlichem befassten. Dieser zunehmende kritische Fokus scheint das Ergebnis einer Mainstreaming-Entwicklung oder einer Reifung im BHR-Bereich zu sein. Sie ist auch ein Zeichen dafür, dass die Notwendigkeit einer kritischen Reflexion über die BHR sowohl bei ihrer Konzeptualisierung als auch bei ihrer Anwendung in der Praxis erkannt wurde.
2. Globaler Süden - Der Weg der Kritik ist noch lange nicht zu Ende - wie der TWAIL-Ansatz zeigt - privilegiert die Wissensproduktion den Globalen Norden, der dann Gesetze und Lösungen für den Globalen Süden vorschreibt. Obwohl die Konferenz in Bezug auf die Nationalität recht vielfältig war, konnte man nicht umhin festzustellen, dass inmitten all dieser kritischen Diskussionen fast ausschliesslich Personen aus Institutionen des Globalen Nordens anwesend waren. Das Erfreuliche daran ist jedoch, dass die Forschung nicht auf den Norden ausgerichtet war - ganz im Gegenteil. So wurden beispielsweise empirische Untersuchungen über die Beschäftigten in der Gig-Economy in Indien durchgeführt; für die Untersuchung des Leihmutterschaftsmarktes wurden Daten aus Ländern des Globalen Südens verwendet; für die Bekleidungsindustrie wurden weitere empirische Untersuchungen aus Bangladesch vorgestellt. Die Betonung des Lieferkettenmanagements als Mittel zur Auslagerung von Menschenrechtsfragen (Verlagerung der Verantwortung von den multinationalen Unternehmen im Globalen Norden auf die Zulieferer im Globalen Süden) und die Möglichkeit, dass Gesetze von Bottom-up-Bewegungen aus dem Globalen Süden übernommen werden, sind weitere Anzeichen für eine Verschiebung der Perspektive und der Aufmerksamkeit in der BHR-Bewegung.
3. Fokus auf Unternehmen - Eine weitere interessante Beobachtung war, dass der Fokus bei fast allen Themen auf Unternehmen und nicht auf Staaten lag, mit wenigen Ausnahmen. Diese Fokussierung auf Unternehmen wurde unter allen Aspekten angegangen, auch unter thematischen Aspekten wie bewaffneten Konflikten und grundlegenden Fragen zu Gerechtigkeitstheorien und Rechtsordnungen. Bei der Betrachtung der Unternehmen wurde nicht nur ihre Rolle beim Schutz der Menschenrechte und bei der Verhinderung von deren Gefährdung berücksichtigt, sondern es wurde auch deutlich, dass die Unternehmen zunehmend in der Pflicht stehen, umfassende und wirksame Massnahmen zu ergreifen und proaktiv zu handeln, um negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu minimieren. Die Ausweitung des Kontinuums zwischen öffentlichem und privatem Sektor, wie beispielsweise in Studien über soziale Medien hervorgehoben wurde, unterstreicht die Erwartungen an die Unternehmen, sich mit der gebührenden Sorgfalt im Bereich der Menschenrechte zu befassen. Ebenfalls machte aber auch auf die Probleme aufmerksam, die entstehen, wenn man den Unternehmen faktisch eine Selbstregulierung gestattet, wie dies in Diskussionen über die Einbeziehung von Interessengruppen in Folgenabschätzungen festgestellt wurde. Andere Beispiele, wie die Einbeziehung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in KI-Algorithmen, zeigen, dass es auch weiterhin einer staatlichen Aufsicht bedarf, um sicherzustellen, dass die von den Unternehmen ergriffenen Strategien und Massnahmen nicht zu einer Verschärfung anderer Menschenrechtsprobleme führen.
Mit zwei vollen Tagen der Zusammenarbeit und des Austauschs während der Podiumsdiskussionen und bei Erfrischungen bot der Gipfel eine hervorragende Gelegenheit für die Gruppe, Ansichten und Erkenntnisse auszutauschen und gleichzeitig ein Gefühl der Gemeinschaft im wachsenden Bereich der BHR zu fördern. Obwohl das Wetter kurz aufklarte, aber nicht lange genug, um die spektakuläre Aussicht vom Gipfel des Säntis zu genießen, endete die Konferenz mit einem ruhigen Wochenende, an dem die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Abtei St.Gallen, eine mittelalterliche Klosterbibliothek, neben anderen St.Galler Sehenswürdigkeiten und Köstlichkeiten wie Biber und Bratwürsten erkundet wurde.