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Meinungen - 15.02.2025 - 09:00 

Beitrag von Prof. Dr. Thomas Beschorner "Medienwandel: Die Meinung ist frei, aber immer weniger wert"

Z(+)-Gastbeitrag im Politischen Feuilleton.

“Meine Meinung, deine Meinung, Basta!”, bringt uns nicht weiter. Mehr noch: Vor einem Meinungsabsolutismus sollten sich freie Gesellschaften hüten. Soziale Medien, aber auch einige rechtskonservative und -libertäre Medienhäuser (Ross und Reiter sind im Text genannt) erweisen der Demokratie mit ihrem Meinungssalat dabei einen Bärendienst.
 
Das Thema ist tagesaktuell (siehe JD Vance am Freitag) und verbindet sich mit einem gewissen Zeitgeist, hat aber zugleich – so meine Vermutung – tieferliegende Gründe, die einem Webfehler der Moderne geschuldet sind: die Vernachlässigung eines emotionalen Erlebens im politischen Raum. Den Preis dafür zahlen wir nun, weil rechtsextremistische Bewegungen und Parteien diese Leerstelle mit Bravour besetzen.
 
Was folgt daraus?
 
1) Man sollte zur Kenntnis nehmen, dass Teile der Bevölkerung (und der Politik) nur noch bedingt mit rationalen Argumenten erreichbar sind. Dies umso weniger, je mehr sich Menschen in quasi-religiösen, stark identitär-aufgeladenen Emotionskontexten bewegen, aus denen sie ihr Wohlgefallen ziehen.
 
2) Es braucht den kritischen Blick, um zu unterscheiden, wo ein produktives Ringen um das bessere Argument einer interessierten Öffentlichkeit stattfindet – und wo lediglich rein meinungsgetriebene Pseudo-Arenen inszeniert werden.
 
3) Noch wesentlicher ist die systematische Frage, wie Demokratie für viele Menschen wieder attraktiver gemacht und mit positiven emotionalen Erlebnisräumen verbunden werden kann. Oder genauer: Mit positiven emotionalen Erlebnisräumen, die zugleich auch konstruktiv sind. Denn auffällig am Erfolg rechtsextremer Kräfte ist, dass ihre Angebote des Empowerments allzu oft von der lustvollen Abfuhr destruktiver Gefühle leben.
 
Im Kontrast dazu müsste eine demokratische Argumentationskultur deutlich machen, dass der Austausch von Begründungen sowie das interessierte Zuhören zwar zunächst mühsamer sein mögen als garstiges Herummeinen, mittelfristig aber viel lustvoller sein können. Das Gegenüber mit stichhaltigen Belegen zum Nachdenken zu bringen oder selbst etwas dazuzulernen ist nämlich vor allem auch eins: ein großer Spaß.

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